Die japanischen Schriften

Die Ausspracheregeln und andere Besonderheiten


Das Japanische wird gewöhnlich mit einer gemischten Schrift geschrieben:
mit chinesischen Zeichen, die meist den bedeutungstragenden Teil eines Wortes bezeichnen:
          sayu (= Affe), yama (= Berg), kure- von kurasu (= lebend), o- von oru (= sein)
und über die Aussprache nichts aussagen ;

und mit einer Silbenschrift, welche die Aussprache angibt und zur Schreibung der losen und festen Formelemente wie
          to (= und), de (= in), ga (= Nominativpartikel), no (= Genitivpartikel),
          -shite (bei "kurashite") von kurasu (= lebend),
          -ri-mashi-ta (bei "orimaschita") von oru (= sein)
und zur Schreibung von Wörtern : yoo (= Art und Weise) benutzt wird.

Die Silbenschrift ist dem phonologischen System der japanischen Sprache angepaßt, so daß man das Japanische eigentlich auch nur mit den Silbenzeichen ohne Zuhilfenahme der chinesischen Zeichen schreiben könnte.

Das Japanische hat fünf Vokalphoneme: a i u e o. Vor jeden Vokal können z. B. die Konsonanten h und t treten : ha hi hu he ho; ta ti tu te to. Das ergibt in diesem Fall zehn Silben, denen im japanischen Silbenalphabet zehn Silbenzeichen entsprechen. Nach dem japanischen kunrei-Umschriftsystem werden die Silben in der obigen Form geschrieben, obwohl die Aussprache von hi, hu, ti und tu erheblich von den übrigen Verbindungen mit h und t abweicht. Das europäische Hepburn-Umschriftsystem berücksichtigt dagegen bei hu, ti und tu die durch die Vokale i und u hervorgerufenen phonetischen Veränderungen und schreibt fu, chi und tsu.

Die lateinischen Buchstaben im europäischen Hepburn-Umschriftsystem haben folgende Lautwerte:
a : helles a wie in "kalt"
e : offenes e wie in "Bett" , auch am Wortende
ei : langes ä mit schwachem i-Nachschlag
i : geschlossenes i wie in "simultan"
o : offenes o wie in "Kopf"
u : offenes u wie in "Hund", aber mit leichtem ü-Klang
          Bei europäischen Wörtern mit zwei oder mehreren aufeinanderfolgenden Konsonanten wird ein
          u-Flüstervokal eingeschoben, der kaum hörbar ist:
          engl. spoon (= Löffel) = s(u)pun
          engl. spring (= Feder) = s(u)p(u)ring(u)

b, d, h, k, m, p, t : etwa wie im Deutschen
f : gesprochen mit fest aufeinander gelegten Lippen
g : am Wortanfang wie deutsches g, in der Wortmitte etwa wie ng
hi : gesprochen chi, mit ch wie in "ich"
j : etwa ein stimmhaftes dsch wie in "Fudschijama"
n : gelegentlich wie m, am Wortende wie ng
r : klingt ähnlich wie l, die Japaner können diese beiden Laute nicht unterscheiden.
          Gesprochen mit zurückgebogener Zungenspitze am oberen Gaumen.
          engl. level (= Niveau) = reber(u)
          Liter = rittor(u)

s : immer stimmlos wie deutsches ß
w : kommt nur in japan. "wa" vor, gesprochen wie englisches w
          Wird sonst wie "b" transkribiert.
y : wie in "Yacht"
z : stimmaftes s wie in "Sense"
ch : wie tsch
sh : etwa wie sch
ts : wie z in "Zucker"


Länge und Kürze der Vokale und Konsonanten sind bedeutungsunterscheidend, z.B.
          yiko (= Egoismus) , yikoo (= Klugheit, Erfüllung)
          shimi (= Fleck, Silberfischchen) , shimmi (= Neuigkeit, Verwandte)
Die Länge des Vokals wird im Hepburn-System durch einen Strich über dem Vokal, in diesem Text aber durch Verdoppelung des Vokales angegeben.
Die Länge des Konsonanten wird durch Verdoppelung des Konsonanten angegeben.

Wort- und Satzakzent sind schwach ausgeprägt. Der Akzent äußert sich durch einen geringen Tonhöhenunterschied. Er ist jedoch deutlich wahrnehmbar, wenn er auf die letzte Silbe einer Wortgruppe oder des Satzes fällt. Häufig hat die vorletzte Silbe einen etwas höheren Ton als die anderen.

i und u sind oft Flüstervokale; sie tragen dann nie den Ton, z. B. hito (= Mensch) : gesprochen [chito], fast [chto].
Die Grundform des Verbs auf -u, die Formen auf -te und -ta sowie die Wörter auf -e sind meist betont; z. B. iku (= gehen), oyimashita gesprochen [orimach'ta] (= war), kitsune (= Fuchs) gesprochen [kts'ne], suzume (= Sperling) gesprochen [s-z'me].
Das Ende von Wortgruppen wird durch eine schwache Betonung der Partikeln wie ga, wo, ni usw. signalisiert.

Das Klangbild des Japanischen wird ganz wesentlich durch drei Faktoren bestimmt: schwachen, schwer bestimmbaren Gruppenakzent, mehr oder minder starke Nasalierung der Vokale in bestimmter konsonantischer
Umgebung und die Flüstervokale i und u, die oft nur noch in einer Artikulationsandeutung bestehen (z. B. Verengung des Lippenspaltes bei u in masu [mas]) und für das Ohr kaum mehr wahrnehmbar sind.
Alle drei Faktoren sind jedoch - vielleicht bis auf den Akzent in gewissen Fällen - nicht imstande, die Bedeutung eines Wortes zu verändern, oder mit anderen Worten: sie haben phonologisch keine Bedeutung.

In häufig vorkommenden Wendungen sind die Verschleifungen sehr groß:
          soredewa (= dann) klingt wie [soredchaa]
          soo desu ka? (= wirklich ?) kann wie [soo sk] klingen,
          kono kinjo ni (= in dieser Gegend) wie [koom kindchonin],
          skitsurei (= Verzeihung!) wie [chtsrei].

Im allgemeinen wird ein ziemlich großer Unterschied zwischen der Aussprache der japanischen Frauen und derjenigen der japanischen Männer beobachtet. Die Aussprache der Frauen weicht viel weniger von dem lateinischen Schriftbild des Hepburn-Systems ab.

Die Zahl der gleichlautenden Wörter -auch der zweisilbigen- ist noch weit größer als im Chinesischen und macht sich sehr störend bemerkbar.

Das Japanische ist nach allgemeiner Auffassung wie das Türkische und das Mongolische eine agglutinierende Sprache. Seine Struktur ähnelt am meisten der des Mongolischen, sie weist jedoch viele Eigenheiten auf. Genealogisch gesehen, steht das japanische isoliert da. Person und Zahl werden beim Verb nicht ausgedrückt. Suffixe, die Zeit und Modus andeuten und eine weiter weisende Satzverbindung schaffen, treten an den Verbstamm, der dadurch oft Veränderungen erleidet. Das Substantiv bleibt unverändert. Der Plural wird meist nicht bezeichnet. Beim Pronomen findet man häufiger Pluralendungen, z. B. kare-ra (= "sie" im Plural) , watashi-tachi (= wir). Einen Genuaunterschied gibt es nicht (er=sie=es). Die Funktion des Substantivs oder einer nominalen Wortgruppe wird nicht wie im Türkischen und Mongolischen durch Endungen (feste Morpheme), sondern durch Partikel (lose Morpheme) festgelegt.
Eine Vokalharmonie, die die Suffixe stärker an den Stamm bindet, gibt es nicht. Das Attribut, ob Adjektiv, Substantiv oder Wortgruppe steht vor dem näher zu bestimmenden Wort.
Das Adjektiv hat eine besondere Form, die vor allen Zeitwörtern gebraucht wird. Sie wird oft als Adverbialform bezeichnet.
Die Person, die durch die Verbform ja nicht ausgedrückt wird, ergibt sich häufig aus dem Bedeutungsinhalt des Verbs. Man verwendet z.B. für die zweite und dritte Person besondere Höflichkeitsverben oder -konstruktionen. Somit ist im japanischen ein soziologischer Faktor, der feine Anstand, die Höflichkeit, zu einem morphologischen Element geworden. Die feine Gesittung ist grammatikalisiert worden.



Aus dem "Fischer Lexikon Sprachen" von Heinz F. Wendt, 1977 (leider vergriffen)
Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung der S.Fischer Verlage

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